Mondscheinkinder

Emotional und glaubwürdig
Interview mit der Regisseurin Manuela Stacke

Wie sind Sie als Regisseurin zur Verfilmung von ‚Mondscheinkinder’ gekommen?

Mondscheinkinder war ja für insgesamt sechs Studenten der HFF Babelsberg der Diplomfilm. Jamila Wenkse, die Produktionsstudentin, kannte mich von einem früheren Projekt und dachte an mich, als für das Buch von Mondscheinkinder ein Regisseur gesucht wurde.  Das war ein ganz großer Glücksfall. Als ich das Buch gelesen habe, das zu diesem Zeitpunkt schon sehr gut entwickelt war, war mir sofort klar, dass das ein Thema für mich ist. Zum einen, weil der Stoff sehr emotional war, mit Mut zum Gefühl, aber ohne kitschig zu sein; zum anderen, weil es um Kinder und Jugendliche ging. Ich hatte mich ja schon in mehreren Dokumentarfilmen mit Kinder- und Jugendlichen-Themen beschäftigt und ein Faible für Kinder- und Jugenddarsteller entwickelt – was für mich nicht notwendigerweise „Kinderfilm“ bedeutet. Mich reizt diese Mischung, bei der man nicht genau weiß ob es ein Film für Kinder oder für Erwachsene ist.

Woran hat sich dieses Thema für die Autorin Katrin Milhahn entzündet?

Katrin hatte das Thema vor acht Jahren für die Süddeutsche Zeitung recherchiert und einen Artikel darüber geschrieben. Es gab damals in New York ein Treffen von  „Mondscheinkindern“ aus der ganzen Welt, die sich eine Woche lang wie im Feriencamp nachts auf Spielplätzen getroffen haben; auch in Deutschland gab es so eine  Selbsthilfegruppe. Katrin ist sehr erfahren, sehr professionell und souverän, und ich war sehr froh, ein so gutes Drehbuch zu bekommen, da ich selbst gar kein Talent zum Schreiben habe.

Haben Sie selbst recherchiert? Wie wollten Sie mit der Darstellung der Krankheit umgehen?

Ich bin in eine Spezialklinik in Tübingen gefahren und habe den Spezialisten dort gebeten, mich mit Patienten bekannt zu machen. Ein Problem, das im Film nicht thematisiert wird, ist, dass die Mondscheinkinder durch die vielen Operationen, bei denen die Melanome entfernt werden, oft stark entstellt sind. Wir haben lange mit uns gekämpft, wie das im Film vorkommen soll, und uns dann dagegen entschieden. Wir wollten Schockbilder vermeiden, um nicht von den Gefühlen abzulenken, um die es uns vor allem ging. Am Anfang hatte ich die Sorge, dass wir die Krankheit zu harmlos darstellen, aber es war auch klar, dass es in dem Film nicht wirklich um den medizinischen Verlauf geht. Diese Zweifel, ob man den Menschen gerecht wird, die man portraitiert, habe ich bei jedem meiner Projekte.

Wie wichtig waren Ihre früheren Dokumentationen zu „Kinderthemen“ für Ihre Arbeit an ‚Mondscheinkinder’?

Bei Dann hau ich eben ab habe ich gelernt, wie wichtig es ist, beim Casting ganz genau hinzusehen und  lange und sorgfältig zu suchen. Das war im Grunde ein Spielfilm. Da wir aber sehr wenig Geld hatten, sind wir mit einem sehr dokumentarischen Ansatz herangegangen. Ich habe die Schauspieler in dem Jugendclub gefunden, in dem wir jetzt auch wieder die BMX-Bahn Szenen von Mondscheinkinder gedreht haben. Da haben wir Kontakt mit Jungs bekommen, die gut und gerne spielen, und  haben uns dann ohne Drehbuch von Tag zu Tag überlegt, was so ein Ausreißerkind machen würde. Ich habe ihnen nur die Situation geschildert und sie dann improvisieren lassen. Das haben sie unglaublich gut gemacht und die Gefühle sehr genau getroffen.

Wie haben Sie Ihre Darsteller, v.a. für Lisa und Paul, gefunden?

Bei einem früherem Projekt hatte ich die Erfahrung gemacht,  dass „Agenturkinder“ oft nicht mehr so unbefangen sind, nicht mehr so natürlich. Darum arbeite ich bei den Kindern sehr viel lieber mit Laien. Wir haben rund 100 Faxe an Schulen geschickt, in denen wir darum baten, uns mit unserem Projekt vorstellen zu dürfen. Dann haben wir vor Ort Videoaufnahmen mit allen gemacht, die Lust dazu hatten; mit ausgewählten Kindern später dann noch richtige Probeaufnahmen. Ich hatte mich eher auf die Jugendlichen konzentriert, während mein Kollege in erster Linie den Darsteller des Paul gesucht hat. Lucas Calmus hat er dann auf dem Schulhof entdeckt.

Leonie Krahl, die die Lisa spielt, ist mir am Castingtag schon im Treppenhaus aufgefallen. In ihrer Klasse haben sich rund 20 Mädchen gemeldet, aber sie war nicht dabei. Ich habe sie dann direkt angesprochen und gefragt, ob sie nicht doch Lust hätte, da sie rein äußerlich sehr gut zur Rolle passen würde. Sie ist ganz untypisch für so ein „Pubertätsmädchen“, sie hat einen ganz natürlichen Umgang mit ihrem Körper. Bei Renate Krößner, die die Mutter spielt, war es mir wichtig, dass sie viel mit den Kindern probte.

Alles in allem hat sich  das Casting über mehrere Monate hingezogen. Vor dem Dreh haben wir dann noch etwa drei Wochen geprobt, auch an den Drehorten. In dieser Probenphase haben wir mit den Jugendlichen viel improvisiert und die Dialoge überarbeitet. Wenn die Sprache der Jugendlichen zu gekünstelt wirkt, ist das sehr problematisch, weil sie sie dann nicht natürlich über die Lippen bringen.

Hat der dokumentarische Ansatz, mit dem Sie als Filmemacherin angefangen haben, Einfluss auf Ihre Spielfilmregie?

Was die Natürlichkeit angeht, ist der Dokumentarfilm nicht zu übertreffen – wenn die Personen, um die es geht, sich frei fühlen und unbefangen agieren. Wenn man dagegen versucht, einem Kind vorzuschreiben, was es machen soll, die Hand hierhin nehmen oder da hin, dann kann die emotionale Wahrhaftigkeit flöten gehen. Das ist generell beim Drehen mit Kindern eine große Herausforderung: Einerseits muss man ihnen die Freiheit geben, einfach loszulegen; andererseits muss man dem technischen Aufwand des Filmemachens gerecht werden. Lucas Calmus war sehr intuitiv, er hat immer genau das Richtige getan. Aber er hatte ein großes Problem damit, das für die Nahaufnahme noch mal zu wiederholen. Da wir mit ihm meistens in der engen Wohnung gedreht haben, konnten wir schon aus Platzgründen nicht mit mehreren Kameras arbeiten. Darum haben wir uns entschieden, nicht wie üblich erst die ganze Szene in der Totale durchlaufen zu lassen und dann die Nahaufnahmen nachzuschieben, sondern umgekehrt vorzugehen.

Mir geht es in erster Linie darum, dass der Film emotional berührt und glaubwürdig ist. Ich habe nicht den Anspruch, im Spielfilm faktisch die Realität wiederzugeben. Wenn man das vorhat, ist der Dokumentarfilm das richtige Medium. Ich möchte nicht ganz ausschließen, dass ich weitere Dokumentarfilme mache, aber ich halte es doch für eher unwahrscheinlich. Bei den Dokumentarfilmen hatte ich immer das Problem, dass man den Personen sehr nahe kommen muss – und immer an einen Punkt kommt, wo man eigentlich zu nah dran ist. Wenn ich als Regisseur einem Menschen so nahe komme, dass es für den Film gut ist, dann überschreite ich sehr leicht die Grenze zum Voyeurismus.

Sie haben neben Ihrer filmischen Arbeit auch zwei Jahre Theater gemacht, als Assistentin am Berliner Ensemble, u.a. mit George Tabori und Peter Zadek. Wie wichtig war diese Erfahrung für Ihren ersten Spielfilm?

Ich wollte die Regie noch von einer ganz anderen Seite her erproben, bevor ich meinen ersten langen Film mache. Ein Filmdreh ist sehr stark von der Technik beherrscht, beim Theater hat man es mit einer viel reineren Form der Regie zu tun. Ich wollte das alles richtig von der Pike auf lernen. Und gleichzeitig habe ich es genossen, für zwei Jahre einen festen Job und ein geregeltes Einkommen zu haben, nachdem ich mich so lange als freie Mitarbeiterin mit kleinen Filmchen über Wasser gehalten hatte. Und da ich fest am Berliner Ensemble war, hatte ich den Vorteil, dass ich mit ganz verschiedenen Regisseuren arbeiten konnte.

War die Ebene der Weltraumerzählung in ‚Mondscheinkinder’ von Anfang an als Animation geplant?

Im ersten Entwurf der Geschichte sollte Lisa Bilder für ihren Bruder malen. Aus dieser Kinderzeichnung hat sich im Laufe der Zeit immer stärker eine eigene Welt entwickelt. Als ich zum Projekt kam, war bereits klar, dass es eine Animation sein würde und dass Reinhard Kleist das Design dafür entwirft. Die Richtung der Animation haben wir dann gemeinsam besprochen: ob sie eher leicht und witzig oder sehr emotional oder wie ein Kindertraum sein soll. Unsere ursprüngliche Idee, die Animationsebene als Gegenwelt zur Wirklichkeit sehr leicht und lustig zu machen, hat sich bald als ein zu großer Bruch erwiesen. Ich  habe dann auch schnell gemerkt, dass das ein so eigenes Genre ist, dass es mit normalem Regiewissen nicht zu leisten ist, und alles Weitere Reinhard Kleist überlassen, der diese acht Minuten Animation ausgehend von den Schauspielern entworfen hat.

Wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen, die Filmmusik mit großem Orchester einzuspielen?

Wir wollten mit den Komponisten der Hochschule zusammenarbeiten. Für das Weltraumthema der Animation haben wir einige Science Fiction-Serien vorgegeben. Einer der drei Entwürfe war dann so ein richtig fetter Weltraumsound. Wir haben das gehört und sofort gewusst, das ist es: Diese kleine, einfache Animation mit so einer Riesenmusik klang großartig! Und als wir uns erstmal dafür entschieden hatten, war auch klar, dass das nur mit Orchester zu machen ist.

‚Mondscheinkinder’ ist vieles zugleich, Melo, Science Fiction, Familienfilm. Hat Ihnen diese Genreüberschreitung keine Angst gemacht? 

Inhaltlich gar nicht. Es war eher die Größe des Projekts, die mich beunruhigt hat, mit so vielen Leuten zu arbeiten, mit soviel Geld und soviel Verantwortung. Entsprechend angespannt war ich bei den Dreharbeiten. Beim nächsten Film werde ich sicher sehr viel gelassener sein.

 

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